Menü

Biographien

Hermann Kolb

Ein Weltreisender aus Ebersbach „in der ganzen Welt zuhause“

Am 8. Augst 1902 kam in der äußeren Mühle in Ebersbach Hermann Kolb zur Welt. Seinen Eltern gehörte die Mühle. Ungefähr an dieser Stelle befindet sich heute das Kinder- und Jugendzentrum E3. Seine Kindheit und Jugend verlief normal: Grundschule in Ebersbach, weiterführende Schule in Göppingen, Verwaltungslehre in Friedrichshafen. Aus seiner Jugend ist überliefert, dass er von Reisedrang und Fernweh geprägt stundenlang den Weltatlas studieren konnte. Als Autodidakt erlernte der sprachenbegabte Ebersbacher im Laufe seines Lebens eine Vielzahl von Fremdsprachen, die er zum Teil fließend beherrschte: Englisch, Türkisch, Italienisch, Südslawisch, Afrikaans, Französisch, Schwedisch, Japanisch und Arabisch. Anstatt eine Karriere im öffentlichen Dienst mit sicherem Einkommen einzuschlagen, tat er lieber das, was er tun wollte: die Welt bereisen. Weil man aber nicht von Luft und Liebe leben konnte, arbeitete er unter anderem als Reisejournalist und Reiselektor und hielt Vorträge über seine Reisen, während und nach den Reisen.

Seine erste Fernreise führte ihn 1923 nach Skandinavien, mit dem Fahrrad durchfuhr er Lappland. Von 1927 bis 1934 unternahm er eine mehrjährige Weltreise mit Schwerpunkt Südostasien. Er durchquerte die Türkei, wo er als Dolmetscher bei der Eisenbahn eine Zeitlang arbeitete. Insbesondere von der Ursprünglichkeit Anatoliens war er begeistert. Dann ging es weiter über Syrien, Irak, Iran, Pakistan, Indien, Bangladesch, Burma, Thailand, Malaysia, Indonesien, Philippinen, Japan nach Hawaii. Über Kalifornien und Quebec trat er seine Heimreise an und traf am 1. Januar 1934 in seiner Heimat ein, die sich im Laufe seiner 7-jährigen Abwesenheit verändert hatte, denn das Deutsche Reich war inzwischen eine nationalsozialistische Diktatur geworden. Im April 1934 hielt er über seine Reise durch Asien auch in Ebersbach einen Vortrag. Er lernte bei einer seiner Reisen die schwedische Graphikerin Ingrid Bergmann kennen und heirate diese 1936. In Ingrid hatte er eine unternehmungslustige Partnerin gefunden. Im Oktober 1937 startete das Paar mit einem Auto, einem Ford Eifel, eine neue Weltreise und hätte eigentlich in die Geschichte eingehen sollen, denn ihnen gelang als erstes einzeln reisendes Ehepaar die Durchquerung Afrikas mit dem Auto von Nord nach Süd. Das Auto hatte gerade einmal 10 PS. Die Reise war ein einziges Abenteuer von dem Hermann Kolb bereits während seiner Afrikareise in vielen Städten Vorträge hielt. 1100 km lang war die Durchquerung der unwegsamen östlichen Sahara, die mit Hilfe eines Kompasses und diversen Karten gelang. Das Paar konnte während der Trockenzeit auch die rund 600 km lange Strecke durch die Sumpfgebiete des Weißen Nils durchqueren. Eine Vielzahl von Schwarzweiß-Aufnahmen entstanden, die von Ingrid Kolb nachträglich auf faszinierende Weise koloriert wurden. Unterwegs traf Hermann Kolb 1938 auf den Segelflugpionier Wolf Hirth in einem Hotel in Mbeya. Was Kolb am Boden mit dem Ford Eifel tat, wollte Hirth in der Luft bewältigen. Bei der Ankunft in Kapstadt im September 1939 wurden Hermann und Ingrid Kolb zunächst als Helden gefeiert, doch wegen des Zweiten Weltkriegs kam Hermann Kolb als deutscher Staatsangehöriger in ein Internierungslager und die Rekordreise wurde nie weltbekannt. Erst im August 1944 konnte Kolb im Austausch gegen britische Kriegsgefangene nach Deutschland ausreisen. Ihn begleitete seine Frau und seine beiden kleinen Söhne Arne und Wolfgang, die 1939 und 1941 in Afrika zur Welt gekommen waren. Zunächst wohnte die Familie im Haus des Ebersbacher Bürgermeisters Gustav Seebich. Vor und nach dem Einmarsch der Amerikaner half Hermann Kolb beim Dolmetschen und Verhandeln mit den Alliierten. In der Nachkriegszeit zerbrach die Ehe. Seine Frau zog mit den Kindern nach Schweden und Hermann Kolb zog wieder in die Welt hinaus, wo er, wie er selbst einmal sagte, „überall zuhause“ war. 1952 bis 1953 bereiste er die Türkei und 1955 wollte er erneut Afrika durchqueren. Die Afrikareise bewältigte er mit einem Mercedes-Benz (Diesel 200 D) und wurde von einem Neffen begleitet. In Algier begann die Reise die bis nach Angola führen sollte. Doch bis dahin gelangte der reiselustige Ebersbacher nicht mehr: Aufgrund einer Malariaerkrankung musste er die Reise abbrechen und frühzeitig nach Ebersbach zurückkehren.

Im Sommer 1960 machte er eine vierwöchige Campingreise in die UDSSR, mit Auto und Zelt. Über Dänemark, Schweden und Finnland reiste er in die Sowjetunion ein. Seine Eindrücke von Land und Leuten schilderte er im Jahr darauf einem staunenden Publikum. Auch im Rundfunk waren die Reiseberichte von Hermann Kolb zu hören. In Süddeutschland hielt er zahlreiche Dia-Vorträge. „Ein bunt schillerndes Erlebnis“ überschrieb ein Redakteur einen solchen Vortrag. „Camping in Russland erscheint uns sagenhaft und unwahrscheinlich. Man kann sich denken, dass solch ein Vorhaben auf Schwierigkeiten stößt, aber alle diese wurden von Kolb gemeistert, er erhielt die Reiseerlaubnis. Hinter der Grenze fand Kolb einen Streifen Niemandsland. In einem 60 km breiten Streifen darf nicht photographiert werden.... Jeder Zuhörer muß dem Redner für seine mutige Reise und für die uns übermittelten Erlebnisse danken.“ In den folgenden Jahren war Hermann Kolb selten zu Hause in Ebersbach. Noch in seinem letzten Lebensjahr steckte er voller Reisepläne und bereiste 1979 Ägypten. Er hinterließ in Schweden drei Kinder und zahlreiche Enkel und seine von ihm geschiedene Ehefrau Ingrid, sowie hier im Filstal seine Lebensgefährtin. Er starb am 5. April 1979.